Das Fleisch, das man fürs Dry Aging verwenden möchte, sollte von allerbester Qualität sein. Denn wie bei fast allem im Leben gilt auch beim Dry Aging: Beste Ergebnisse erhält man nur mit besten Rohstoffen.
Die richtige Fleischauswahl fängt mit der Rasse und der Haltung der Tiere an. Denn egal, ob Rind, Schwein oder Lamm, das Fleisch sollte gut marmoriert, also mit feinen Fettäderchen durchzogen sein. Diese Marmorierung entsteht jedoch nur, wenn die Tiere schnell wachsen, sondern der Züchter ihnen Zeit gibt, auf natürliche Art und Weise heran zu wachsen und Muskeln und Fett auszubilden, wie es die Natur vorgibt. Kraftfutter und ähnliche wachstumsfördernde und enge Stallhaltung bei der Aufzucht sind daher tabu. Stattdessen sind eine natürliche, gesunde Ernährung und eine natürliche Haltung mit viel Platz, viel Wiese und viel frischer Luft ein absolutes Muss.
Das alles legt schon nahe, dass das beste Fleisch für den Dry Age Schrank mindestens Bio-Qualität haben sollte, gerne auch nach den noch strengeren Kriterien von ökologischen Anbauverbänden wie Demeter, Bioland oder Neuland, am besten noch von einem Bauern, Metzger oder Händler aus der Region, der seinen Beruf und die Tiere liebt und der absolut vertrauenswürdig ist.
Klar, das alles kostet den einen oder anderen Euro mehr. Aber Qualität kostet nun mal. Dafür ist sie dann aber auch preis-wert. Und wer leistet sich schon einen Dry Aged Reifeschrank für 1.000 Euro und mehr und hängt dann unter Schutzatmosphäre abgepacktes Fleisch aus dem Discounter hinein?
Welche Tiere eignen sich fürs Dry Aging?
Klassischerweise wird Rindfleisch trocken gereift. Aber das Dry-Aging-Verfahren ist nicht auf Rinder beschränkt.
Dry Aged Pork
Ein immer beliebter werdender Trend ist z.B. Dry-Aged Pork, also trockengereiftes Schweinefleisch. Dabei wandern zum Beispiel ganze Rücken vom Durocschwein, vom Ungarischen Wollschwein oder vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein in den Reifeschrank. Dort verbleiben sie dann bis zu 30 Tage.
Dry Aged Wild
Auch Wild eignet sich gut fürs Dry Aging. Bestimmte Cuts wie Hirschsteak, Reh- oder Wildschweinrücken können bis zu vier Wochen nachreifen. Wichtig ist das Wildfleisch vorab gut abzuhängen. Auch exotische Wildarten profitieren vom Trockenreifen. Fleisch vom US-amerikanischen Bison lässt sich zum Beispiel in 3-4 Wochen im Reifeschrank veredeln.
Dry Aged Lamm
Ebenfalls eher unbekannt ist das Trockenreifen von Lamm. Falls es sich nicht gerade um nur wenige Tage alte Milchlämmer handelt, kann man auch Lammkeulen und -rücken zum Reifen in den Dry Age Schrank hängen.
Dry Aged Geflügel
Auch wenn es für manche vielleicht ungewöhnlich und potentiell gefährlich (Stichwort Salmonellen) klingt: Auch manche Geflügelarten eignen sich für die Trockenreifung. Welcher Fleischliebhaber kennt sie nicht, die Geschichte vom Fasan, den man so lange in die kalte Winterluft hängt, bis er von alleine vom Haken fällt. Erst durch diese Prozedur soll er angeblich den richtigen Geschmack bekommen. Auch wenn man diese Geschichte guten Gewissens ins Reich der Legenden verweisen kann und dieses Verfahren tunlichst nicht praktizieren sollte, so eignen sich einige wenige Hühnerrassen wohl durchaus fürs Dry Aging. Insbesondere mit dem französischen Schwarzfederhuhn (Poulet Noir) ergeben sich gute Ergebnisse. Es reift etwa maximal 14 Tage.
Welche Rinderrassen eignen sich fürs Dry Aging?
Bei Rindern unterscheidet man meistens zwischen Milchrindern und Fleischrindern. Dabei lässt die Bezeichnung schon vermuten, welchem Zweck die Tiere hauptsächlich dienen: Milchrinder sind darauf gezüchtet, möglichst viel Milch zu geben.Zu den Milchrindern zählen u.a. die Rassen Deutsches Holsteinrind und Deutsches Braunvieh. Eine Auflistung der verbreitetsten Milchrassen gibt es beim Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL).
Fleischrinder sollen dagegen möglichst viel Fleisch ansetzen. Fleischbetonte Rassen haben eine stärkere Bemuskelung und bessere Fleischstruktur als milchbetonte und Zweinutzungsrassen. Zu den verbreitetsten Fleischrassen zählen u.a. das Heckrind (Oft , unzutreffend als „Auerochse“ oder als eine „Rückzüchtung“ bezeichnet) das Uckermäcker und das Rote Höhenvieh aus Deutschland, das Charolais-– und das Limousin-Rind aus Frankreich, das Hereford-Rind aus England, das Galloway, das Black Angus und das Highland-Cattle (Schottisches Hochlandrind) aus Schottland und natürlich das berühmteste und teuerste Fleischrind der Welt, das Wagyu aus Japan. Eine Liste der verbreitetsten Fleischrassen gibt es ebenfalls beim BZL.
Daneben gibt es noch sogenannte Zweinutzungsrassen, die sowohl große Mengen Milch produzieren als auch Fleisch ansetzen. Bei den Zweinutzungsrindern unterscheidet man außerdem noch zwischen milchbetonten, fleischbetonten oder milch- und fleischbetonten Rassen. Zu den Zweinutzungsrindern gehören u.a. die Rassen Glanrind, Simmentaler oder das Deutsche Schwarzbunte Niederungsrind. Eine Aufstellung von Zweinutzungsrindern und ihren Steckbriefen gibt es ebenfalls beim BZL.
Grundsätzlich eignen sich alle Rinderrassen für die Trockenreifung. In der Praxis werden aber üblicherweise Fleischrassen oder fleischbetonte Zweinutzungsrassen fürs Dry Aging verwendet, weil hier der Fleischertrag pro Tier, und damit natürlich auch die Menge des verwendbaren und verkaufbaren Fleisches höher ist. Es sollten außerdem Rassen bevorzugt werden, die von Natur aus über eine gute Fetteinlagerung verfügen. Zu diesen zählen Rassen wie Limousin, Red Heifer, Angus oder Wagyu. Sie eignen eignen sich daher perfekt für die Fleischreifung im Dry Aged Reifeschrank.
Spielt das Alter des Tieres eine Rolle beim Dry Aging?
Wichtig beim Dry Aging ist neben der Art und der Rasse des Tieres auch das Alter, in dem es geschlachtet wird. Hier gilt grundsätzlich: Je jünger das Tier, desto besser eignet es für das Dry Aging.
Bei Rindfleisch sind daher Färsen, also weibliche Kühe, die noch nicht gekalbt haben und maximal 24 Monate alt sind, sowie Ochsen mit einem Schlachtalter zwischen 18 und 24 Monaten im besten Alter fürs Dry Aging. Bullenfleisch ist dagegen weniger geeignet. Es hat gröbere Fleischfasern und mehr fleischeigenes Wasser. Eine Ausnahme bilden hier Bullen von Fleischrassen, wie z.B. Charolais. Bei diesen Rassen haben auch die männlichen Tiere eine hervorragende Fleischqualität, die sich für die Fleischreifung im Dry Aged Schrank eignet.
Welche Fleischstücke sind fürs Dry Aging geeignet?
Zunächst einmal ist zu sagen, dass das beste Fleisch für Dry Aging nicht zwingenderweise auch das zarteste, magerste und teuerste Stück vom Tier sein muss. Ein trockengereiftes Filet oder ein Hinterschinken schmecken nach einigen Wochen Trockenreifung nämlich eher nach einem luftgetrockneten Schinken. Das ist zwar auch lecker, hat aber mit Dry Aging nichts zu tun. Am anderen Ende der Preisskala eignen sich aber auch eher günstige und langfaserige Fleischteile mit viel Bindegewebe wie Rinderbrust oder Hesse nicht fürs Dry Aging. Sie benötigen dringend eine lange Garzeit mit Hitze und Feuchtigkeit, damit sich das ungenießbare Kollagen in zarte Gelatine verwandelt. Eine Dry-Aged Rinderbrust oder eine Dry-Aged Schweinshaxe wären einfach nur zäh und ungenießbar.
Daraus folgt: Die Antwort liegt in der Mitte! Die passenden Fleischstücke fürs Dry Aging sollten möglichst groß und am Knochen sein. Außerdem sollten sie eine Fettauflage haben und/oder einen dickeren Fettkern oder ein Fettauge in der Mitte haben. Das äußere Fett schützt das Fleisch bei der Reifung. Es bildet sozusagen einen halbseitig durchlässigen Schutzschild: Es lässt zwar Feuchtigkeit vom Fleisch nach außen durch, verhindert aber, das Keime und Bakterien von außen ans Fleisch kommen. Auch der Knochen hat eine Schutzfunktion. Er ist außerdem ein wichtiger Faktor, dass das Fleisch den typischen, mit nichts vergleichbaren und durch nichts ersetzbaren Dry-Age-Geschmack bekommt.
Auch die Größe bzw. das Gewicht des Fleischstückes ist wichtig. Denn unter einem Fleischgewicht von 5 Kilogramm mit Knochen lohnt es sich praktisch nicht, Fleisch in einem Dry Aged Reifeschrank zu reifen (s.u.).
Ganze oder halbierte Rücken mit Knochen, womöglich mit anhaftendem Filet, sind daher die „pieces of choice“, die Stücke der Wahl für das Dry Aging. Sie eignen sich aufgrund der Qualität des Fleisches und der Beschaffenheit am besten fürs Dry Aging. Auch Teilstücke des Rinderrückens wie Hohe Rippe oder Roastbeef mit Knochen eignen sich fürs Trockenreifen.
Kann man kleinere Stücke oder Portionen trocken reifen?
Wer nur mal „schnell“ ein einzelnes Rib-Eye-Steak trockenreifen will, der muss sich folgendes klar machen: Von den 350 Gramm, die das frische Steak wiegt, verliert es während der Reifephase durch Feuchtigkeitsverlust zwischen 20% und 30% an Gewicht. Das Steak wiegt dann also nur noch im Schnitt etwa 265 Gramm. Von diesem Stück müssen dann noch einmal 15% bis 20% abpariert werden, denn die äußere Schicht des Steaks ist trocken geworden und als Steak ungeeignet. Es bleibt also von dem ursprünglich 350 Gramm schweren Rib-Eye-Steak noch etwa 220 Gramm „Carpaccio“. Das lohnt den Aufwand und die Wartzeit von mehreren Wochen dann nicht mehr. Wer also nur ab und zu gerne mal ein trockengereiftes Steak essen möchte, der tut besser daran, dies direkt beim Metzger seines Vertrauens oder beim Online Fachhändler zu kaufen. oder es einvakuumiert in einem speziellen Dry Aged Reifebeutel im Kühlschrank zu reifen.


